La Super Randonnée de Haute Provence

Donnerstag, 26.August 2010, 06 :15 Start am Ortsschild von Carcès. So langsam dämmert es. Ich mache mein Kontrollfoto und fahre los. Schon das nächste Dorf bietet einen interessanten Anblick. In Cotignac ist die Felswand über dem Ort durchlöchert. Die Strecke des RdHP ist für mich völliges Neuland. Ich bin zum ersten Mal in der Provence.

Die Strecke führt erst einmal stetig bergan. Dann lange durch den Wald. Immer wieder stehen Wassertanks am Straßenrand, es sieht nach Waldbrandgefahr aus. Ich trete ganz locker, der Ruhetag und die kurze Etappe zuvor von Entrevaux nach Lorgues haben mir gut getan. Auf der Hochfläche nach dem Col de la Bigue wird es kalt, obwohl die Sonne schon lange scheint.

Beim Anstieg nach Aiguines glänzt der Lac de Sainte Croix ganz blau. Ich sehe zum ersten Mal in der Ferne den Mont Ventoux. Die Fernsicht beträgt über 100 km.

Der Lac de Sainte Croix
Der Mont Ventoux in über 100 km Entfernung

Hinter Aiguines steigt die Straße wieder an. Hier bin ich schon über dem Grand Canyon du Verdon. Die Source de Vaumale ist die erste Kontrollstelle. Ich fülle meine Flaschen wieder auf. Wasser ist hier essentiell. Tagsüber wird es sehr heiß. Der Grand Canyon ist wirklich beeindruckend. Auf der andren Seite ist die Route des Crêtes zum Greifen nahe. Es gibt immer wieder atemberaubende Aussichten in die Schlucht hinein.

Blick in den Grand Canyon du Verdon
Der Verdon vor dem Grand Canyon

Bei Pont de Soleils fülle ich mir meine Flaschen wieder auf. Der Verdon hat im Sommer nur wenig Wasser. Steter Tropfen höhlt den Stein. Das Wasser löst den harten Kalkfelsen und schneidet sich deswegen tief ein, ohne dass die Hänge abrutschen.

Es geht auf der anderen Seite der Schlucht wieder zurück. Kurz vor La Palud geht es links auf die Route des Crêtes. Hier gibt es Aussichtspunkte, bei denen über 500 m senkrecht auf den Verdon gesehen werden kann. Auch die Aussicht auf die Gegenseite ist gigantisch.

Schwindelerregende Einblicke in die Verdonschlucht

In La Palud wasche ich mich, fülle meine Flaschen wieder auf und esse mein letztes am morgen ge-machtes Brot auf. Im Prinzip muss hier jede sich bietende Gelegenheit genutzt werden Essen einzukaufen. Man kommt bis Sisteron praktisch nur durch kleine Ortschaften und jetzt in der Ferienzeit hat womöglich der einzige Laden geschlossen. Anschließend auf der Abfahrt kommt man direkt unter ei-nem Wasserfall vorbei. Während sich der Verdon immer tiefer einschneidet, baut sich hier ein Sinterfels auf. Stark kalkhaltiges Wasser verliert an der Luft CO2, dadurch fällt Kalk aus und der Fels wird immer größer. Moose beschleunigen diesen Vorgang. Etwas weiter schimmert der Lac de Sainte Croix ganz grün.

Wasserfall mit Sinterfelsen
Der Lac de Sainte Croix

Moustier Ste-Marie bleibt rechts, einige km weiter : Fruits et Légumes. Ich halte an und kaufe mir meine Leibspeise beim Radeln im Süden: Nektarinen, nach Möglichkeit weiße, frisch geerntet, vollreif, saftig und süß. Schon bei der Mille Miglia Italia habe ich täglich mehr als 10 Stück gegessen. Allerdings haben die Lebensmittelläden oder Bäckereien, die direkt an der Straße liegen, in den nächsten Ortschaften geschlossen. Weil ich immer nach einer Bäckerei schau, verpasse ich in La Bégude-Blanche den Abzweig nach Bras-d’Asse. Dafür kann ich an einem Brunnen meine Flaschen auffüllen und mich waschen. Am Ortsausgang gibt es nochmals Nektarinen und Apfelsaft. Leider ist der Saft etwas verkocht und schmeckt wie Apfelmus.  Ich fahre weiter und habe das Gefühl in die falsche Richtung zu fahren, aber auf dem Retro-Navi steht: „centre, puis à gauche“. Da mein Tacho kleine Aussetzer hat, aber ansonsten etwas mehr km anzeigt als der Streckenplan, kann ich nicht einfach bei der angegebenen km-Zahl abbiegen. Ein wenig später überquere ich einen Nebenfluss, was nach Landkarte nicht sein kann und ich drehe um. In La Bégude-Blanche sehe ich, dass ich am Ortseingang schlicht am Abzweig vorbeigefahren bin. Die Straße zum Col d’Espinouse hat fast keinen Verkehr. Als ich auf dem Pass das Kontrollfoto mache überholt mich ein Geländewagen mit Viehanhänger. Der Fahrer ist so nett und fährt auf der kurvigen Abfahrt rechts ran und lässt mich überholen.

Erst in Les Grillons hat ein kleiner Laden offen. Da ich in Sisteron frühestens um halb 9 sein werde, muss ich hier die letzte Gelegenheit nutzen einzukaufen. Die Bäckerei ist allerdings geschlossen. Ich kaufe in der Epicerie ein verpacktes Toastbrot, eine Hartwurst,  eine Tafel Schokolade, Pfirsiche und Traubensaft.

Jetzt wird es ganz einsam. Auf dem Weg zum Col de Fontbelle fährt kaum ein Auto. In Authon werden nochmals die Flaschen gefüllt. Die Straße nach St Geniez ist echt genial. Danach kann ich es das erste Mal auf der Abfahrt nach Sisteron so richtig laufen lassen: Neue Straße, kein Verkehr und wenig enge Kurven.

In Sisteron wird es dunkel und ich muss erst einmal was essen: In einem Schnellrestaurant Pizza Anchois und Pommes Frites, maximale Kalorien. Da hier der Chef noch kocht und allerdings den Rest vom Laden auch noch macht, dauert es halt doch etwas länger als gedacht. Ich versuche inzwischen die Zeitung zu lesen.  Mein Wasser wird noch bis St Etienne reichen. Mittlerweile bin ich aus meinem optimistischen Zeitplan mit einem Durchschnitt von 20 km/h + diverse Pausen.

Vor Cruis überkommt mich zum ersten Mal Müdigkeit. Die Mille Miglia in gut 108 h und anschließend die 500 km-Fahrt nach Carcès machen sich bemerkbar. In Cruis schlafe ich an einem hell beleuchteten Heldendenkmal auf einer Bank, überdacht und windstill: 15 min Power-Napping. Um 00:00 Uhr mache ich mein Kontrollfoto in St. Etienne-les-Orgues und möchte meine Flaschen auffüllen, aber: Les fontaines sont fermées!  Außerdem steht am Brunnen noch „EAU NON POTABLE“. Zum Glück  führen  noch zwei Männer ihre Hunde aus. Mit meinem bescheidenen Französisch kann ich mich soweit verständlich machen, dass ich meine Flaschen aufgefüllt bekomme. Am trockenen Brunnen stärke ich mich erst einmal, bevor ich den Anstieg zum Montagne de Lure beginne.

Trockener Brunnen in St Etienne-les-Orgues
Pas de la Graille um 03:26

Beim Anstieg macht mir die Müdigkeit zu schaffen. Ich setze mich einfach auf die Straße und schlafe eine viertel Stunde. Oben am Lure weht ein starker Wind und es ist kalt. Ich ziehe meine Gore-Tex Jacke und Hose an und mache mich auf die Abfahrt. Immer wieder scheuche ich taubengroße, graue Vögel auf, die mitten auf der Straße zu schlafen scheinen. Unterwegs muss ich noch zweimal anhalten und kurz schlafen. In Valbelle sehe ich dann das erste Auto. Im Val de Jabron sind gegen 05:00 Uhr einige Polizeiautos unterwegs. Die ersten Pendler machen sich auf den Weg zur Arbeit.

Hinter dem Col de Macuègne halte ich auf der Abfahrt nochmals an, um den Mont Ventoux zu fotografieren. Unten im Tal in Montbrun-les-Bains hat endlich eine Bäckerei offen und ich kann ausgiebig frühstücken. Am Ortsausgang gibt es sogar einen Supermarkt und ich bekomme alles was ich bis Malaucène brauchen werde.

Ausblick hinterm Col de Macuègne
Montbrun-les-Bains

Nach ein paar Kilometern geht es rechts ab und wieder einen Berg hoch. Die Straße zum Col des Aires und weiter zum Col de Fontaube bietet wieder wunderbare Ausblicke. Es ziehen dichte Wolken auf. Der Gipfel des Mont Ventoux hüllt sich in Nebel, noch 30 km bis nach Malaucène. Ich fülle dort meine Flaschen wieder auf und in der Bäckerei am Fuß des Anstiegs gönne ich mir ein zweites Frühstück. Malaucène ist das Mekka der Rennradfahrer. Man könnte fast meinen hier läuft eine Radtouristikveranstaltung. Aber es ist Freitag Mittag und ich beginne gegen 12:00 Uhr den Anstieg zum Ventoux. Gut 400 km bin ich seit gestern unterwegs. Noch verhüllt die Wolke die Sonne, aber von Westen her kommt schon wieder strahlend blauer Himmel. Ich fahre noch ein Stückchen und halte dann einen kurzen Mittagsschlaf. Es wird jetzt wieder heiß, aber ich habe schon ganz schön an Höhe gewonnen.

Im Hintergrund der Mont Ventoux in Wolken
Achtung Viele Radfahrer Vorsicht

Der Anstieg zieht sich. Aber es gibt immer wieder phantastische Ausblicke. Hier auf der Nordseite geht der Wald fast bis zum Gipfel. Oben sind die Bäume allerdings schon recht klein. Auf dem Mont Ventoux ist ganz schöner Trubel. Es ist eigentlich angenehm warm, ich ziehe nur meine Windweste an. Ein deutscher Hobby-Radfahrer mit Sportrad spricht mich an. Er ist stolz dieses Jahr ohne Absteigen den Mont Ventoux bezwungen zu haben. Anscheinend sehe ich ziemlich hungrig aus, denn er besteht darauf mir einen Riegel zu schenken. Ich mache noch ein paar Fotos, schaue mich im Kiosk um und mache mich auf die Abfahrt.

Der Mont Ventoux unterm Gipfel
Das Observatorium auf dem Mont Ventoux

Hier auf der Südseite wird es schnell heiß und weiter unten gibt es keinen kühlenden Fahrtwind mehr. Ich brauche Wasser und halte am nächsten Brunnen. EAU NON POTABLE, also wasche ich mich nur und verstaue meine Windweste wieder in den Taschen. Ein paar km weiter in Les Bruns gibt es einen Brunnen mit Trinkwasser. Hinter Sainte-Colombe habe ich fast 1500 Höhenmeter Abfahrt hinter mir und in Flassan steigt die Straße wieder an. Es gibt ein Hinweisschild zu einem Lebensmittelladen, aber ich habe noch etwas dabei, das wird bis Sault reichen und ich denke, dass ich gegen 18:00 Uhr dort sein werde. Ich entschließe mich ab jetzt etwas weniger Fotos zu schießen, da ich schon einige Stunden hinter meinem Zeitplan liege.

Der Mont Ventoux von Süden auf dem Weg zum Col Notre-Dame des Abeilles

Auf dem Anstieg zum Col N.D. des Abeilles wird es nochmals richtig heiß. In Sault bietet sich die letzte Möglichkeit etwas einzukaufen und ich schaue beim Essen den Boule-Spielern zu. Da hat es echte Profis dabei, die mit der letzten Kugel das Spiel komplett drehen.

Die Strecke wird jetzt einfacher, aber es bleibt hügelig. Als ich zurückschaue, sehe ich den Mont Ventoux in Wolken. Leichter Rückenwind setzt ein, es ist der erste Tag im Herbst an dem der Mistral einsetzt. Um 20:00 Uhr mache ich mein Kontrollfoto in Banon, knapp 500 km sind geschafft. Richtung Ortsausgang hat es Toiletten. Das nutze ich aus, streife mein Reflektorband über und fülle meine Flaschen auf. In Richtung Forcalquier wird der Wind stärker und ich hole etwas Zeit auf. Aber ich muss nochmals eine viertel Stunde schlafen. Hinter dem Durance-Tal geht es Richtung Valensole. Es ist Nacht, einsam und die Straße zieht sich wie Kaugummi. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreiche ich Valensole, aber jetzt wird es richtig schwierig. Eine kleine Straße schlängelt sich nach Allemagne-en-Provence. Es geht hoch und runter, ich bin müde und brauche dennoch zum Fahren volle Konzentration. In Allemagne brauche ich nochmals 20 min Schlaf. Bis Quinson bleibt die Strecke schwierig. Obwohl hoch nach Montmeyan gut 100 Höhenmeter zu überwinden sind, läuft es jetzt besser, da der Wind wieder stärker wird. Die Straße ist jetzt auch wieder breit und gut. Die letzten 25 km bis nach Carcès bringe ich dann auch noch hinter mich. Um 04:13 Uhr komme ich in Carcès an.

20:00 Uhr Kontrolle Banon
01:05 Uhr Kontrolle Allemagne-en-Provence

Sophie hat mit dem Randonnée de Haute Provence eine außergewöhnliche Rundfahrt geschaffen. In Prinzip müsste man immer bei Tag fahren, damit kein Highlight verpasst wird. Das Roadbook ist detailliert ausgearbeitet und Sophie hat zusätzlich eine Reihe von Empfehlungen und Informationen zusammengestellt. Insbesondere ist hier im Sommer die Versorgung mit Wasser existenziell. Der Randonneur ist unterwegs auf sich allein gestellt und Überraschungen gibt es immer wieder.

Andreas Weiss

Exkurs:

Das RdHP habe ich in eine 3-wöchige Radtour integriert: Karlsruhe – Bad Krozingen – Bad Säckingen – CH – Bözbergpass – Brugg – Zug – Andermatt – St. Gotthartpass – Passo Monte Ceneri – Lugano – Mendrisio – I – Cuggiono – Milano – Nerviano – 1001 Miglia Italia – Asti – Cuneo – Col de la Lombarde – F – Entrevaux – Draguignan – Carcès – La Super Randonnée de Haute Provence – Sisteron – Col de Carabès – Die – Col de Rousset – Autrans – Voirons – Col Le Banchet – Belley – Francy – CH – Genf – Orbe – Neuchâtel – Biel – Col de Pierre Pertuis – Basel – D – Weil am Rhein – Karlsruhe.

Am 01. September, kurz vor 20:00 Uhr bin ich wieder in Karlsruhe und ich habe in 21,5 Tagen über 4350 km zurückgelegt.

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